14.11.10

Einleitung - Rudolf Berliner und sein Beitrag zum Verständnis des christlichen Bildes

(zu:  Rudolf Berliner: The 'Freedom of Medieval Art' und andere Studien zum christlichen Bild, Berlin (Lukas-Verlag), 2003- das Buch ist zu beziehen über den Verlag in: Kollwitzstr. 57, 10454 Berlin; lukas.verlag@t-online.de ;

Die Lebensgeschichte von Gelehrten wie Rudolf Berliner wirkt in der eintönigen Mühsal ihrer Forschungen und Arbeiten meist langweilig. Deshalb wird in den folgenden Seiten das Biographische nur skizziert, das Hauptgewicht vielmehr auf die Einführung in sein Denken gelegt. Doch galt es zumindest die Prägung seiner Persönlichkeit zu beachten, soweit wir etwas darüber wissen, erst recht die seine Existenz erschütternden, lebensgefährdenden Ereignisse seit 1933, von der Gefangennahme 1933 bis zur Emigration 1939.

Herkunft und Ausbildung[1]
            Rudolf Berliner stammt aus einer jüdischen Familie, deren Geschichte sich kaum über seinen Urgroßvater Aron (1795-1859) zurückverfolgen lässt, der sich - vielleicht angezogen durch die frühe Judenemanzipation in Preußen - in Schlesien ansiedelte; er wird in den Familienakten als Gutsbesitzer verzeichnet. Der Großvater Wilhelm (1822-1881) besaß bereits eine eigene Bank und begründete mehrere Fabriken im niederschlesischen Ohlau/Olava, verlor jedoch die Bank und zwei der Fabriken im großen Krach 1878. Er hatte mit seiner Gemahlin Rosalie Leipziger zehn Kinder. Der älteste Sohn, Theodor (1851-1915), Rudolf Berliners Vater, übernahm zunächst die verbliebene Fabrik in Ohlau, ging dann nach Berlin und gründete dort u.a. 1898 die Deutsche Grammophon AG, eine Tochtergesellschaft der British Grammophone Co. Ltd. Sein weiterer Lebensweg wurde durch die steile Karriere seines jüngeren Bruders Alfred (1861-1943) in der Firma Siemens mitbestimmt: 1888 war Alfred als junger Physiker in den Dienst von Siemens & Halske eingetreten, hatte für sie in den USA gearbeitet und 1896 wegen seiner Tatkraft und organisatorischen Begabung die Leitung der Abteilung "Beleuchtung und Kraft" übernommen. Er war der engste Berater von Werner v. Siemens bei den Fusionsverhandlungen mit der Firma Schuckert. Ab 1901 saß er im Vorstand der Siemens-Schuckertwerke, von 1903-1912 amtierte er als Vorsitzender, wurde dann jedoch in den Aufsichtsrat von Siemens & Halske abgeschoben.[2] Theodor wurde in den Siemens-Schuckertwerken zuerst 1904 Prokurist, 1908 bei Siemens & Halske ordentlicher Geschäftsführer, wechselte aber im Jahre 1912, offenbar im Zusammenhang der Auseinandersetzungen seines jüngeren Bruders mit der Firmenleitung, zur Firma Bergmann, die damals von Siemens übernommen worden war. Später wurde er Direktor der Akkumulatorenfabrik, einer gemeinsamen Gründung von Siemens und der AEG, leitete den Betrieb jedoch teilweise von Berlin aus.[3]
Theodor wandte sich wie die meisten Familienmitglieder seiner Generation vom Glauben seiner Väter ab und wurde Protestant.[4] Das war letztlich die Voraussetzung für die Zulassung zu den 'höheren Kreisen' des Kaiserreiches.[5] Er hatte mit seiner Gemahlin Philippine Wollner, der Tochter eines in Breslau und dann in Karlsbad praktizierenden Arztes, zwei Söhne, Wilhelm (geb. 1882, gefallen 1914 bei Metz) und Paul Rudolf, geboren am 14.4.1886 in Ohlau. Deren Erziehung lag teils in den Händen eines Hauslehrers, teils in denen einer französischen 'Mademoiselle', so dass die Kinder früh französisch lernten. 1899 zog die Familie nach Berlin, wo Rudolf das Joachimsthalsche Gymnasium besuchte und dort 1904 das Abitur ablegte, sechs Jahre vor Erwin Panofsky.
            Rudolf Berliner ist also großbürgerlicher Herkunft, einerseits geprägt durch das Unternehmertum seiner Familie, andererseits durch die preußischen Ideale, wie man sie in diesen Kreisen hochhielt: unbedingte Pflichterfüllung, Dienst am Staat und der Gemeinschaft, soldatische Disziplin. Alle Männer der Grossfamilie Berliner waren sog. 'Einjährige', d.h. sie dienten freiwillig länger beim Militär und wurden so Reserveoffiziere: Theodor Berliner wird in den Siemens-Akten als Oberleutnant a.D. geführt. Rudolf machte als Leutnant des Garde-Grenadier-Regiments Nr. 3 'Königin Elisabeth' den Ersten Weltkrieg vom ersten bis zum letzten Tage mit, im ersten Kriegsjahr hauptsächlich als Leiter einer Einheit, welche die verwundeten und versprengten Soldaten auf dem Schlachtfeld sammelte.
            Die Familie Berliner verbrachte ihre Sommerferien regelmäßig im Berchtesgadener Land. Dort lernte Rudolf durch seinen Jugendfreund Wolf Bever seine 1881 in Stettin geborene Frau Maria Karoline Charlotte Bever aus einer alten preußischen Unternehmer- und Offiziersfamilie kennen (+ am 14. April 1981, also im Alter von 100 Jahren), die das Schneewinkellehen unterhalb des Watzmann in Schönau-Königssee besaß.[6] Und dort fand er Anschluss an den Freundeskreis um Marie Andree-Eysn und Rudolf Kriss, die sich der Erforschung der religiösen Volkskunde widmeten.[7]
            Rudolf Berliner war der erste Geisteswissenschaftler seiner Familie. Er studierte 1905-1909 hauptsächlich Neuere Kunstgeschichte und Klassische Archäologie in Berlin, Heidelberg und Wien. Offenbar wollte er zunächst Orientalist werden. 1913 unternahm er mit seinem bereits genannten Schwager Wolf Bever eine Expedition nach Ostanatolien, über die sie gemeinsam eine Publikation verfassten. Arbeiten über armenische Kirchen und die Moschee von Diyarbakr (Nr. 22-24) bezeugen sein Interesse für den Orient, ebenso die Publikationen und Rezensionen (Nr. 11, 92, 93, 102, 104). Zeit seines Lebens widmete er sich immer wieder diesem Kulturkreis, seit dem Umzug 1958 nach Washington als Berater des "Textile Museum" besonders den koptischen Stoffen.
Es bleibt Spekulation, inwiefern ihn der Konflikt mit seinem Doktorvater Josef Strzygowski von der Orientalistik abschreckte. Strzygowski hatte als einer der ersten auf der Bedeutung der armenischen Baukunst und überhaupt der orientalischen Kulturen für das Abendland insistiert. Doch bekamen seine Ideen schon damals einen Zug ins Sektiererische und politisch Abwegige; später wurde er einer der wirrsten Nazi-Ideologen. Berliner nennt seinen Namen in seiner Dissertation nur einmal, und zwar kritisch, wogegen er zustimmend, ja rühmend immer wieder Alois Riegl hervorhebt, der ihn tief beeindruckte, der von Strzygowski aber gehasst wurde. Über dessen 1901 in Wien erschienene "Spätrömische Kunstindustrie" schreibt er: "Ich bin diesem Werk als einem Lehrer verpflichtet."[8] Kurzum ließen ihn Josef Strzygowski und Max Dvořák laut Rigorosumsprotokoll vom 27.2.1910 durch die mündliche Doktorprüfung fallen; und bei der Wiederholung am 16.7.1910 reichte es auch nur für die Note 'genügend'.[9] Kompromisslose Aufrichtigkeit und das Verweigern jeglicher Liebedienerei kennzeichnen diesen Gelehrten von Anfang an.
            Berliner versuchte in seiner Dissertation, einer Monographie des berühmtesten byzantinischen Psalters der 'aristokratischen Redaktion', des Codex Par. gr. 139 der Bibliothèque Nationale in Paris,[10] nachzuweisen, warum er jünger sei, als man – und d.h. auch sein Doktorvater - bis dahin dachte. Genaue Beobachtungen zur Maltechnik, präzise ikonographische Beweisführung, Überlegungen zum Verhältnis der Illustration von Rolle und Codex, vor allem aber eine methodisch vorbildiche und feinsinnige künstlerische Analyse zeichnen die Arbeit aus. Aus diesem Erstlingswerk seien die Ausführungen zu den Personifikationen zitiert (S. 30): "Wo sie erscheinen, bringen sie das Wehen des Göttlichen mit sich ..., Vertreterinnen des ewigen Prinzips, und so entsteht der Eindruck des Kultbildes, der Apotheose ... Aber aus dem schwärmerischen, fast nüchternen Ernst, der in den Bildern waltet, der Einfachheit und Redlichkeit der Erzählung, wird deutlich: das Ziel war unmittelbare Klarheit, Verständlichkeit des Inhalts. Die Kunst beginnt ihre höchste Aufgabe in der Illustration eines bestimmten geistigen Gehaltes zu sehen. Es verliert sich das artistische Interesse an der Figur, die nur Bedeutung bekommt als Träger der Handlung und als Gefäß des seelischen Gehalts, ..." Schon zu diesem frühen Zeitpunkt deutet sich also eine Grundeinsicht Berliners an: dass die christliche Kunst nur als eine darstellende verstanden werden kann, bis in ihre Form hinein. Dies unterscheidet ihn von der herkömmlichen Ikonographie, die meist die Inhalte aus den Texten deutet, die Prägung der Kunst bis in den kleinsten Zug durch die Aufgabe des Darstellens aber ausspart: ihm dagegen ging es schon damals um die Erfassung des - im Vergleich zur Antike - prinzipiell Andersartigen am christlichen Bild.
Wir können nicht mehr sagen, wie er an das Bayerische Nationalmuseum berufen wurde, damals die bedeutendste kunsthistorische Forschungseinrichtung Münchens. Er ist dort vom 1.5.1912 - 31.12.1919 als Wissenschaftlicher Hilfsarbeiter aktenkundig. Kurze Zeit - vom 1.1. - 30.10.1920 - arbeitete er als Wissenschaftlicher Assistent an der Graphischen Sammlung, wurde danach Konservator und schließlich Hauptkonservator am Nationalmuseum, ein mit dem Professorentitel verbundenes Amt. In seinen Händen lag die Redaktion des Münchner Jahrbuchs der bildenden Kunst. Seinen Kollegen Georg Lill, Philipp Maria Halm, Hans Buchheit und - später Theodor Müller - war er freundschaftlich verbunden, ebenso dem Leiter des Theatermuseums, Franz Rapp.[11]
Entsprechend seinem Dienst- und Pflichtverständnis hat Berliner nie für sich selbst, sondern nur für das Museum gesammelt, mit großem Einsatz und feinem Gespür.[12] Es war ihm ein Gräuel, Kennerschaft kommerziell auszunutzen und sich im fragwürdigen Expertisenwesen der Zeit zu bereichern - im Gegenteil, er bekämpfte es erbittert. Vorbildlich ist seine Erschließung der Sammlungsbestände, vor allem der Katalog der Elfenbeinskulpturen (Nr. 33). Er setzte mit ihm neue Maßstäbe, über Vöge und Goldschmidt hinaus. Zugleich stellte er die barocken Elfenbeine und andere Teile der Sammlung neu auf und hat darüber auch berichtet (Nr. 29, 30). Viel Aufmerksamkeit widmete er der Kleinplastik, die er u.a. durch den Erwerb von Peter Vischers Herkules- und Antäus-Gruppe bereicherte. Deren Publikation (Nr. 34, 46) nahm er zum Anlass, die Probleme der Beurteilung und Händescheidung dieser vielköpfigen Nürnberger Rotgießer-Werkstatt zu erforschen. Man möchte der allgemeinen Abneigung gegen stilkritisch begründete Zuschreibungen, eine Methode, die vor allem bei Fehlen von Schriftquellen weiter der Königsweg zur Erkenntnis der jeweiligen Werkstattpraxis und künstlerischen Eigenart bleibt, seine Bemerkungen zur Kontroverse um das Sebaldusgrabmal entgegenhalten: "Ich bin davon überzeugt, daß Meller im wesentlichen richtig gesehen und die Hände richtig geschieden hat. Daß aber eine mathematische Sicherheit nicht zu verlangen ist, daß es sich immer um Hypothesen handeln muß, ist klar. Immer wieder ist möglich, daß an einem ...Werk sechs oder mehr Hände gearbeitet und seinen Grundcharakter vor allem auch durch die 'Ausbereitung' verfälscht haben. Dazu dann die Wiederverwendung vorhandener Modelle. Da wir vor dem ganzen undurchdringlichen Dunkel eines Werkstattbetriebes stehen, kann man mehr als höchste Wahrscheinlichkeit in einigen Grundzügen nicht verlangen. Meller ist es aber gelungen, an einigen Werken das Auftreten bestimmter Charakteristika zu erkennen, diese innerhalb bestimmter Zeitspannen zu fixieren und damit wahrscheinlich zu machen, daß sie durch Lebensdaten bedingt die Weise einzelner Familienmitglieder offenbaren. Ich glaube nicht, daß gegen ein derartiges Verfahren, wenn es sich seines hypothetischen Charakters bewußt bleibt, irgend etwas eingewendet würde, wenn etwa ein Paläograph die Hände einer Schreibschule zu scheiden unternähme. Die Aufgabe der Scheidung ist nun einmal gestellt, endgültig zu lösen wäre sie nur, wenn bis ins einzelne geführte Arbeitsbücher der Werkstatt vorlägen. Also entweder man resigniert grundsätzlich oder man sucht durch Aufspüren stilistischer Merkmale unter Beachtung äußerer Zeugnisse ein 'mögliches' Bild zu entwerfen. Wenn es in sich geschlossen keine Widersprüche enthält, ist es gültig, hypothetisch gültig, bis ein anderer ein überzeugenderes, aber wieder nur hypothetisch gültiges, entgegensetzt. Vorsicht ist jeglicher geisteswissenschaftlichen Leistung gegenüber geboten, Vorsicht in dem Sinne der Verneinung des Vorliegens einer bis in alle Ewigkeit und für alle Standpunkte gültigen Leistung. Gewißheit ist nicht möglich. Aber doch unterscheidet sich die überzeugende Hypothese von dem Mythus, der mit den objektiven Zeugnissen willkürlich schaltend die Geschehnisse so darstellt wie er gern möchte, daß sie sich zugetragen haben."[13]
            Nebenbei vollendete Berliner das Handbuch "Ornamentale Vorlage-Blätter des 15. - 18. Jahrhunderts" (Nr. 30), das sich durch Klarheit und Knappheit der Beschreibung und Analyse, desgleichen durch eine in diesen nationalistisch aufgehetzten Jahren bemerkenswert souveräne Internationalität auszeichnet. Lapidar stellt er fest: "Es gehört ... zu dem Wesen der Graphik, dass ihre Geschichte von allen Künsten die internationalste ist." Ihm wird insbesondere die Erkenntnis der Vorbildwirkung der Schlossausstatter von Fontainebleau für die europäische Ornamentgeschichte verdankt, ebenso die von Künstlern wie Ducerceau und Bérain.[14] Dieses Handbuch ist eine letzte Auseinandersetzung mit Alois Riegl, keine devote Fortsetzung seines Denkansatzes, wie bereits an den eingestreuten kritischen Anmerkungen, mehr noch an der Anlage des Werkes selbst zu spüren ist. Berliner, seit seiner Dissertation nüchterner geworden, musste gegen die diffusen, verallgemeinernden Theorien Riegls, etwa den Begriff des 'Kunstwollens' oder den Versuch, die Kunstgeschichte als einen Wechsel optischer und haptischer Stil-Perioden zu deuten, zunehmend skeptisch werden. Damit steht er im Widerspruch zur damaligen, modisch-ideologischen Bevorzugung gerade dieser Seite des Rieglschen Denkens.[15] Berliners Einstellung zur Wiener Schule wird u.a. daran deutlich, dass er mit Hans Tietze und Kurt Rathe befreundet war, sich hingegen mit Ernst Gombrich heftig stritt, Dvořák, Schlosser und Riegl häufig, wenn auch kritisch, erwähnt, Strzygowski und Sedlmayr jedoch nie.[16]
Das ernsthafte Studium der Ornamentik war in den programmatisch puristischen, ornamentfeindlichen Zwanziger Jahren unzeitgemäß, ebenso die entsagungsvolle, langwierige Kleinarbeit der Erstellung eines Handbuchs. Doch hat man sich zu hüten, in Berliner einen Außenseiter oder einen rückwärts gewandten Geist zu sehen. Dass er kein Feind der Moderne war, zeigt sich u.a. daran, dass von ihm wesentliche Anregungen zur Gründung der so genannten Neuen Sammlung des Bayerischen Nationalmuseums ausgingen. Zu seinen Ornamentstudien bewegte ihn die Einsicht, dass man in der Moderne die Kunst und Kultur vor der Großen Revolution von 1789 insgesamt falsch verstand und bewertete, was sich neben der Abwertung des so genannten Kunstgewerbes vor allem an der Vernachlässigung, ja Verachtung des Ornaments erweist. Sein in typischer Untertreibung 'Begleitwort' genannter, erläuternder Text beginnt so: "Eine kunstgeschichtliche Epoche, die - um eine positive Formulierung zu wählen - den Mut hat, den Primat eines durch das höhere geistige Leben zu begründenden Stilwillens zu leugnen und ihn zu ersetzen durch eine im Individuellen, in den Materialien, in der Technik, im Ökonomischen und dergleichen Ursachen niedrigerer Ordnung wurzelnde Anarchie der Formbildungen, eine so gestimmte Zeit, in der es selbst der Mode außerhalb ihres engeren Herrschaftsbereiches der Bekleidung nicht mehr gelingt, einen in ihr seine letzte Begründung findenden Lebensstil durchzusetzen, kann weder über einen Ornamentstil oder auch nur über Dekorationsmotive verfügen, die einen allgemeingültigen Zeitausdruck darstellen, noch kann sie Verständnis haben für das Wesen des Ornaments in der Vergangenheit."[17] Dieser Satz gilt zweifellos bis heute.[18]
Berliner wandte damals unter dem Einfluss seines Berchtesgadener Freundeskreises der bedeutenden und durch Georg Hager recht gut erforschten Krippensammlung des Bayerischen Nationalmuseums seine Aufmerksamkeit zu. 1926 begann er mit der Herausgabe der 'Denkmäler der Krippenkunst' im Augsburger Filser Verlag. Das Vorhaben musste 1930 aus ökonomischen Gründen unterbrochen werden. Nur mit einem Anflug von Bitterkeit notiert er später, dass man 1933 eine Publikation des von ihm gesammelten Materials herausgegeben habe "zur Verschleuderung unter Fortlassung meines Namens."[19]
1931 wurde durch den Deutschen Verein für Kunstwissenschaft die von ihm zusammen mit dem Direktor des Bayerischen Nationalmuseums, Philipp Maria Halm, erarbeitete Edition des illuminierten Aschaffenburger Inventars des 'Halleschen Heiltums' publiziert, welches die Magdeburger Erzbischöfe Ernst von Wettin und Albrecht von Brandenburg an der Wende zum 16. Jahrhundert zusammengetragen hatten.[20]
            Dann kam das Jahr 1933 und mit ihm die Machtergreifung der Nationalsozialisten. Als Frontkämpfer wurde Berliner von der durch das 'Gesetz zur Wiederherstellung des deutschen Beamtentums' ausgelösten Entfernung sämtlicher Juden und mutmaßlicher Regimegegner aus dem Staatsdienst zunächst ausgenommen. Umso deutlicher zeigte sich das Verbrecherische und Willkürliche des NS-Regiments, als Berliner im Juli 1933 von der politischen Polizei in seinem Berchtesgadener Domizil unter Missachtung aller gesetzlichen Bestimmungen verhaftet und abtransportiert wurde. Offenbar hatten Hitler und seine Paladine es auf das Schneewinkellehen abgesehen, in dem sich später zeitweise Martin Bormann und Heinrich Himmler einquartierten. Man verheimlichte den Ort seiner Internierung, das KZ Dachau. Die Familie setzte alles in Bewegung, um ihn zu finden; unter anderem wandte man sich an den damaligen Münchner Ordinarius für Kunstgeschichte, Wilhelm Pinder, der bei der Aufspürung des Verschleppten half. [21]  Wie wenig damals Gesetze und Vorschriften galten, mag man daran erkennen, dass schließlich der Kunsthändler Eugen Brüschwiler, der zu den ersten tausend Mitgliedern der NSDAP gehörte, weshalb er ein mit vielen Privilegien verbundenes Goldenes Parteiabzeichen besaß, in SS-Uniform, begleitet von Museumsdirektor Buchheit, nach Dachau fuhr, dort die Herausgabe des Gefangenen verlangte und durchsetzen konnte.
            Aber Berliner war gebrandmarkt. Mit dem 31.12.1935 wurde er aus dem Museumsdienst entlassen. Er gab seine Münchner Wohnung in der Möhlstraße, einem der schönsten Straßenzüge Bogenhausens, auf, u.a. weil sie zu nahe am SA-Hauptquartier lag und zog sich in sein Berchtesgadener Anwesen zurück, um dort seine Studien zu den Arma Christi und zur Weihnachtskrippe voranzubringen. Seine beiden Söhne hatte er vorsorglich in die USA geschickt.[22] Dort suchte auch er nach einer Anstellung; doch war er nur schwer zu vermitteln. Seit der Reichskristallnacht wurde seine Lage immer kritischer. Am 27.1.1939 wurde ihm zwangsweise der zusätzliche Vorname Israel verpasst. Doch dann gelang so zu sagen in letzter Stunde der Umzug, sogar mit vielen für das Familienleben notwendigen Dingen.[23] Er konnte etwa 2000 Bücher seiner Bibliothek mitnehmen, die er z.T. von seinem Vater geerbt hatte.[24] Berchtesgadener Bedienstete der Familie nahmen den kostbareren, vom Export ausgeschlossenen Teil des Besitzes in Obhut und händigten ihn 1945 ungeschmälert den rechtmäßigen Eigentümern aus. Andere Mitglieder der Großfamilie Berliner hatten weniger Glück und verloren ihr Leben.
            Rudolf Berliner diente mit Elan seinen neuen Wirkungsstätten, zuerst dem Cooper Union Museum in New York, dann dem Museum in Providence/Rhode Island und zuletzt dem Textile Museum in Washington. Doch zog es ihn nach 1945 zurück nach München. Er erneuerte alte Beziehungen und knüpfte neue, so zu Pater Herbert Schade SJ und zu Lenz Kriss-Rettenbeck. Doch unternahm niemand im Bayerischen Nationalmuseum oder anderenorts in Deutschland etwas, den nunmehr Sechzigjährigen in den Museumsdienst zurückzuholen. Es finden sich jedoch auch keine Anzeichen, dass sich der Betroffene darüber beschwert habe. Seine gebesserte Vermögenslage, u.a. durch den Verkauf des rückerstatteten Schneewinkellehens, ermöglichten ihm, in den beiden Jahrzehnten nach 1945 als Privatgelehrter winters in Amerika, sommers in München, Rom und andernorts forschend umherzureisen.[25] Sein Tod am 6.8.1967 veranlasste einige Nachrufe.[26] Der Rang seiner Leistung wurde jedoch nicht angemessen gewürdigt, zumindest nicht im Fach Kunstgeschichte. Dies soll im Folgenden versucht werden.

Die Krippenkunst
            "Was hiermit in die Hände der Leser gelegt wird, ist das Ergebnis einer dreißigjährigen Bemühung", so beginnt das Vorwort des 1955 erschienenen Werkes über die Weihnachtskrippe. Das Ergebnis ist ein sehr dichter, faktenbefrachteter Text, der sich der kursorischen Lektüre verweigert. Wichtige methodische Erörterungen, längere Exkurse zu Spezialfragen sowie gewichtige Funde und Einsichten, aus denen man heute eigene Aufsätze zu machen pflegt, sind in den Endnoten eher versteckt.[27] Wer das Buch genau studiert, wird reich belohnt. Doch verstand Berliner es nicht als abschließendes Werk, sondern als Impuls zur Vertiefung der Kenntnis eines vernachlässigten Gegenstandes.
            Seine Intentionen werden im Titel der seit 1926 herausgegebenen "Denkmäler der Krippenkunst" deutlicher als im Titel "Die Weihnachtskrippe". Gewiss war er ein in außergewöhnlichem Maße an Volksfrömmigkeit und Volkskunst interessierter Kunsthistoriker; und doch ging es ihm vor allem darum, die Krippe als Kunst-Gattung eigener Art zu begreifen, sie vom einseitigen Ruf des 'Kinderspielzeugs' und volkstümlichen Weihnachtsbrauchs zu befreien und als Sondergattung der "rekonstruierenden religiösen Kunst" zu begreifen.[28] Leider war ihm damit – das sei vorweg gesagt – kein Erfolg beschieden. Auf die aufklärerische Wirkung wissenschaftlicher Darlegungen und Argumente zu hoffen, erweist sich oft als Illusion: Man kann auf ähnliche Erscheinungen im Alten Ägypten oder in Griechenland oder wo auch immer verweisen, doch wird man damit kaum gegen die vorherrschende Kunstauffassung ankommen, die aus Gewohnheit die Gattungen trennt und für die die Nähe der Weihnachtskrippe zu Theater und Spiel eher Grund zum Misstrauen ist, erst recht ihre große, ja wachsende Popularität.
Berliner war die romantisierende Verklärung des 'Volkes' und des Volkstümlichen zuwider; er betrachtete alles mit kritisch-nüchternem Blick: "Zu den merkwürdigen Mißverständnissen der Neapler Krippe gehört, daß man verkannt hat, um eine wie gehobene Welt es sich hier handelt. Volksmäßig ist an ihr nur, daß sich das Volk in ihr dargestellt findet, und daß auch das Volk sich von ihr angesprochen fühlt ... aber hier lag keine Selbstdarstellung des Volkes zugrunde, sondern es war Folklore von oben. Dem armen, leidenden und gequälten Volk hätte sicherlich anderes entsprochen ..." usw., zugleich ein methodisch glänzender Beitrag zum Realismus-Problem.[29]
Für ihn waren diese halb ephemeren Ensembles, die im Unterschied zu Altarretabeln immer nur zeitweise aufgestellt wurden (in der Regel von Weihnachten bis Mariä Lichtmess) und die deshalb jedes Jahr etwas anders aussahen, eine Sondergattung des christlichen Bildes, die wegen ihrer Verwischung der Grenzen zum Theater sowie zwischen den Künsten das Missfallen der ästhetischen Dogmatiker auf sich ziehen musste. Die Krippe war sowohl dauerhaft wie vergänglich, spielerisch sowie ernst. Damit widersprach sie dem Ethos und den Normvorstellungen der Moderne und verfiel deshalb ihrem Verdikt.
Berliner bemühte sich, die Krippe von der Retabelkunst, aber auch von den Hl.-Grab-Gruppen, den Mysterienspielen, den lebenden Bildern und ähnlichen theatralischen Praktiken abzusetzen sowie ihre Genese und Vorgeschichte aufzuzeigen.[30] Sie wird nicht, wie man bis dahin meinte, den Franziskanern verdankt, sondern der privaten Devotion. Ein Ausgangspunkt waren die vielfigurigen, tiefenräumlich entfalteten Retabel vor allem nordmitteleuropäischer Herkunft im 15. Jahrhundert. Die Weihnachtskrippe "sollte den Frommen helfen, das Gefühl zu haben, den Schauplatz der heiligen Geschichte zu betreten, um sie zur möglichst tiefen Meditation über den Heilsweg anzureizen ... [Sie] ist ein Hilfsmittel der geistlichen Pilgerfahrt ... [Es ging um] die Beziehung des 'transeamus usque Bethlehem' der Hirten (Lc 2,15) auf die unmittelbare Gegenwart."[31] Die reichen Leute schufen sich als Hauskrippen zuweilen äußerst kostbare Goldschmiedewerke, einige müssen wir uns aufwändiger vorstellen als das Goldene Rössl in Altötting.[32] Aus den Häusern und Konventen gelangte die Krippe schließlich in die Kirche.[33] Popularisiert wurde der Brauch durch die Jesuiten und andere Orden der Gegenreformation.
Die Krippe ist ein Gesamtkunstwerk eigener Art, für das es zunächst keine zuständigen Spezialisten gab, das vor allem nie nur einem einzigen Künstler verdankt wurde, sondern immer Gemeinschaftsarbeit war, nur selten in einem Zuge entstanden, sondern immer wieder ergänzt und teilweise umgewandelt. In wechselndem Umfang waren Bildhauer und Maler, Architekten, Wachsbossierer, Staffierer und Dekorationsspezialisten daran beteiligt;[34] doch ist auch die Einwirkung der Liebhaber-Dilettanten nicht zu unterschätzen.[35] Die Krippe bedarf der Inszenierung, zumal der Beleuchtung.[36] Sie ist "gefrorenes Theater", unterscheidet sich jedoch von ihm schon dadurch, dass sie nicht auf eine fassadenhaft eingerahmte Bühne begrenzt ist, sondern frei im Raum entfaltet wird, weshalb die Betrachtenden zu ihr ein grundsätzlich anderes Verhältnis entwickeln. Sie gibt eine panoramatische Überschau und ermöglicht doch auch, sich in das Geschehen hineinzuversetzen; sie befriedigt die Neugier und nimmt doch auch die Imagination gefangen; sie lässt den Blick schweifen und führt ihn doch immer zum heiligen Mittelpunkt.
Da dies Gebilde von seinem Wesen her vielfigurig und reich an Staffage sein musste, durfte auf die einzelne Figur nicht so viel Aufmerksamkeit gewendet werden, wie man es etwa von der Altarskulptur her gewohnt war. War ihr Ort zunächst der Altar selbst oder ein Ort in Altarnähe, und ihre Erscheinung in der Frühzeit noch durch ein rahmendes Gehäuse begrenzt, breitete man sie bald räumlich aus: Das 'Zauberhaus' wurde zum 'Zauberberg'.[37] Bei vielen Ausführungen war nicht nur eine Szene dargestellt, sondern nach Art der kontinuierenden Erzählung die Abfolge der Ereignisse der Weihnachtszeit, bevorzugt der Anbetung der Hirten wie der Könige. Für die Aufstellung benötigte man bald mehr als einen Raum; sie erscheint als eine Vorform des neuzeitlichen Panorama.[38] Die Besitzer von Hauptwerken machten sie nicht selten öffentlich zugänglich; die sehenswürdigsten wurden sogar in den Reiseführern verzeichnet. Waren Besucher hohen Standes angekündigt, sorgte man für musikalische Begleitung. Damit geriet die Krippe sogar in die Nähe der theatralischen Lieblingsgattung der Epoche, der Oper. Deshalb erstaunt nicht, bei Krippen besonders viele Automaten und Maschinerie angewendet zu finden.[39] Der Aufwand, der in der Blütezeit dieser Kunstgattung für eine einzige Weihnachtskrippe betrieben wurde, konnte den Kosten für einen kompletten Kirchenneubau samt Ausstattung gleichkommen.[40]
[Doch] "es geht ihnen wie allen Devotionalobjekten: höchst geachtet und gehegt, solange die Devotion blüht, werden sie in erstaunlichem Grade vernachlässigt, wenn jene zurückgeht, als wenn sie nun bestraft werden sollten, daß sie, ein Häufchen Materie, Ausgang und Ziel so starker Emotionen gewesen. Dabei ist auch das erste für ihr Aussehen gefährlich, denn die Liebe will sich betätigen - schmückend, ergänzend oder wie immer -, zweitens aber soll die Wirkungsmöglichkeit lebendig erhalten bleiben, was nur der Fall ist, wenn das Aussehen der Arbeiten von Zeit zu Zeit aufgefrischt wird ..."[41]
Berliner beachtete mit gleichbleibender Intensität die verschiedenen Länder und Zentren durch drei Jahrhunderte, aber auch die Eigenart der Krippenkunst in den Frauenklöstern und anderen geistlichen Institutionen, ebenso in Pfarrkirchen und Privathäusern. Sein Buch wird so zu einer europäischen Sozial- und Frömmigkeitsgeschichte. Er war offen für alles, was das Verständnis der Werke förderte, darauf bedacht, nie den Gegenstand zu vergewaltigen bzw. sich selbst in den Vordergrund zu drängen, dies alles in einer Zeit, die komplexer und beweglicher Methodik nicht viel abgewinnen konnte und die es erst recht nicht schätzte, wenn jemand von der Mehrheitsmeinung abwich und auf seinem eigenen Weg beharrte.[42]
Berliner stieß jedoch auch auf andere Schwierigkeiten: Schon 1929 klagte er über den dürftigen Stand der Exegese-Geschichte: "Da es keine Geschichte der Psalmexegese gibt, klafft bei der Bedeutung des Psalters für die christliche Kunst eine vom Kunsthistoriker nicht auszufüllende Lücke schwerster Bedeutung. Die Wichtigkeit der Exegese für die Erkenntnis der christlichen Kunstvorstellungen scheint überhaupt noch nicht recht erkannt worden zu sein ... Daß die Kunst aber ihre Vorstellungen aus allen Bereichen der Theologie und des kirchlichen und des Frömmigkeits-Lebens nahm, ist selbstverständlich. Was wir brauchen, ist eine Theologie der christlichen Kunst, die die Spiegelung des theologischen und des Frömmigkeits-Lebens in ihr aus deren Geschichte zu erklären weiß, aber auch die Abweichungen berücksichtigt ... Aber ... in dem Bewußtsein, daß nur ungenügendes Stückwerk zu leisten ist, muß der Kunsthistoriker Versuche zur Erkenntnis unternehmen, damit unsere Fehler Wissendere anreizen, sich mit den Fragen zu beschäftigen, die dann im besten Falle schon Wegweiser vorfinden mögen, in welcher Richtung sie den Weg bahnen müssen."[43] Deshalb reagierte er später so enthusiastisch auf Aloys Grillmeiers dogmengeschichtliches Buch 'Der Logos am Kreuz' von 1956 (XI) und benutzte umgehend das dort Gelernte für seinen wichtigen Aufsatz über die Darstellungen der Lehre von den 'Zwei Naturen Christi' (XIII).[44] Insgesamt gesehen musste er die von ihm aufgestellte Forderung, Kunstgeschichte enger mit Theologie- und Frömmigkeitsgeschichte zu verbinden, selbst einlösen. Letztlich geht es in allen seinen Studien um die Erhellung des Wesens christlicher Bilder aus den Grundlehren von der Inkarnation, den zwei Naturen Christi, der Mariologie usw. und darum, dass Bilder unabhängig vom Wort eine eigenständige Aussage darüber machen können.
Ein zentrales Anliegen der Weihnachtskrippe ist die Vergegenwärtigung des heiligen Geschehens und die Selbstidentifikation der Betrachtenden mit den dargestellten Personen.[45] Berliners Arbeiten zum Wirklichkeits- und Wirkungsverständnis des christlichen Bildes sind also auch ein Beitrag zur Diskussion um den "Realismus" in der abendländischen Kunst, demjenigen Erich Auerbachs an Bedeutung vergleichbar: auch für ihn ist die Eigenart der christlichen Religion entscheidend für die Genese einer wirklichkeitsnahen, naturmimetischen, zunehmend emotionalisierenden Darstellungsweise seit dem Hohen Mittelalter; nur führte er dies vor allem auf das wachsende Ernstnehmen der Menschheit Christi bzw. der Lehre von den Zwei Naturen zurück.[46] Ihm ging es nicht nur um den Bruch mit der antiken Stillagen-Lehre, der die niedere Stillage des 'sermo humilis' zur angemessenen, 'christlichen Rede' erhob. Seiner Auffassung nach war es die Lehre von der Menschwerdung Gottes in Jesus von Nazareth, die auf die Dauer zu einer anderen Sicht auf alle Dinge führte: Sie bedingte ein Ernstnehmen von Seiten der Wirklichkeit, die zuvor kaum beachtet wurden, ohne dass dies etwa als Säkularisation zu missdeuten wäre. Doch ist diese Wirklichkeitssicht nicht gleichzusetzen mit einer der Natur, dem historischen Ort und der historischen Zeit gegenüber getreuen Darstellungsweise: "Die Ansprüche der einzelnen Zeiten und der einzelnen Bildungsstufen an das, was sie als naturgetreue Darstellung empfinden, sind verschieden. In einer Forderung stimmen sie wohl alle überein: Leben bedeutet raumerfüllende Körperlichkeit, bedeutet Bewegung im Raume. Zweidimensionalität mag ein 'Bild' ... ergeben, aber ihm fehlt das für das Gelingen einer Wirklichkeitsrekonstruktion entscheidende Erlebnis der Tiefendimension."[47] Vergegenwärtigung in der christlichen Kunst überwand nicht nur die räumliche, sondern auch die historische Distanz; sie versetzte das Ereignis in die eigene Lebenswelt, durchmischte sie aber zugleich mit einer anderen, fremden, geheimnisvollen und prächtigen Welt.[48]
Und doch wurde die Betrachtung der Bilder (und der Krippen) immer nur als Durchgangsstufe zu einer höheren geistlichen Schau verstanden, wie es die Weihnachtspräfation des Missale Romanum zum Ausdruck bringt: "ut dum visibiliter Deum cognoscimus, per hunc in invisibilium amorem rapiamur."[49] Das erinnert an die seit dem 12. Jahrhundert verbreitete Theorie, wonach beim Aufstieg der Seele zu Gott den Bildern nur die Rolle einer Eingangsstufe zukommt. Darin war die Krippe dem Theater ähnlich und musste oft zu seiner Rechtfertigung herhalten.[50]
           
Die Studien über die Passionsbilder und die Freiheit der mittelalterlichen Kunst
            Die Weihnachtskrippe breitet die liebliche und heitere Seite der Heilsgeschichte vor uns aus, welche den Menschen der Frühen Neuzeit mehr lag als die düstere, wenn auch grandiose Verherrlichung des Leidens und Sterbens Jesu Christi. Doch ist nun einmal die Passion und Person des Erlösers der Mittelpunkt des Christentums und entsprechend auch das Hauptthema der Studien Berliners, in "denen ich über die üblichen Allgemeinheiten hinaus die genaue Verbindung zwischen der Entwicklung der künstlerischen Darstellung eines Themas und seiner Stellung im Frömmigkeitsleben und Fixierung in Worten darstellen wollte. Hatten die ersten drei (Sturz in den Cedron, Ährenmadonna, Urteil des Pilatus [d.h. I, II, III]) zum Verständnis seltener Darstellungen geführt, so erlebte ich [bei den Vorarbeiten zu den Arma Christi IX] die ... Überraschung, daß nicht nur eine in unendlich vielen Beispielen erhaltene Darstellung des Erlösers - nämlich der als Toter stehende Christus - nicht verstanden war und ein ganz anderes Verhältnis zur bildenden Kunst voraussetzt als man gemeinhin dem christlichen Mittelalter zuschreibt, sondern daß eine große Zahl der auf die Erlösung bezüglichen Darstellungen falsch oder ungenau benannt zu werden pflegen."[51] Die Arbeiten am Hauptstück, den 'Arma Christi', waren früh schon weit gediehen und befreundeten Kollegen zugänglich, so dass Campbell Dodgson sie bereits 1935 zitierte, doch gelangten sie erst 1955 gekürzt zum Druck: "Den Ruf zur Besinnung halte ich noch nicht für überholt und unzeitgemäß, da während der letzten zwei Jahrzehnte das allgemeine Verständnis der westlichen religiösen Kunst bestimmt nicht reifer, wohl aber abhängiger von nicht auf eindringenden Analysen der Kunstwerke basierenden Theorien geworden ist (loc. cit.)."[52] So sehr Berliner nach allgemeingültigen Einsichten strebte, sein Vorgehen ist immer empirisch. Nie wird von einem vorgefassten Begriff aus deduziert. Er betrachtete deshalb die ältere Forschung mit kritischen Augen: "Was der deutschen Kunstgeschichte nottut, ist ein wirklich strenger Kritiker... [und] geistige Disziplin", äußerte er in einem Brief an Herbert Schade. "Den angeblichen grundsätzlichen Gegensatz zwischen Andachtsbildern und erzählenden Darstellungen, der unter irgend welchen Bezeichnungen zuerst von hauptsächlich für spätmittelalterliche Plastik interessierten deutschen Gelehrten statuiert wurde, und der nun beinahe zu einem Glaubenssatze geworden ist, gab es nicht.[53] Es ist einfach nicht richtig, daß die wesentliche Eigenschaft jedes Andachtsbildes in der Vereinzelung oder der einer 'schlechthinnigen Erzählung' beigegebenen visuellen Interpretation des Themas besteht, oder in seiner 'kontemplativen' Erfühlbarkeit (auch falls Panofsky mit dieser dunklen Phrase andeuten wollte, daß der Inhalt jenseits der Rationalität liegt). Jede Darstellung aus der Heilsgeschichte kann gar nichts anderes sein als die Darstellung einer Heilstatsache. Formal, d.h. objektiv ist die Grenze zwischen einem Andachtsbild und einem rein erzählenden oder rein darstellenden Bilde durchaus flüssig. Eine Darstellung erhält den Charakter eines Andachtsbildes durch seine Verbindung mit einer Andacht ... Daher konnte sowohl eine umfangreiche Darstellung als auch nur eine Einzelfigur in ihr zum Andachtsbilde werden, was z.B. besonders häufig mit den Marienfiguren in Geburtsdarstellungen der Fall gewesen zu sein scheint, wie das Frauen in den Zeiten unentwickelter medizinischer Gynäkologie naheliegen mußte. Unser Wissen um die Geschichte des mittelalterlichen Andachtsbildes ist noch sehr beschränkt. Sicher ist nur schon, daß sie mindestens bis in die zweite Hälfte des ersten Jahrtausends hinabgeht, daß in ihr östliche Kunstwerke eine sehr große Rolle gespielt haben, und daß eine besonnene Forschung sich bewußt bleiben muß, daß wir, ihrer besonderen Bestimmung nach, gerade auch der Andacht außerhalb der Kirchengebäude zu dienen, mit dem Verlust zahlloser, auch wichtigster Andachtsbilder zu rechnen haben, wie er für neuzeitliche gedruckte trotz phantastisch hoher Auflagen belegt ist." [54] Zutreffend kritisiert er Panofskys Vorstellung vom Primat des Wortes über das Bild und dessen neo-kantianische Denkweise: "Was zu beweisen nicht gelungen wäre, wird als Selbstverständlichkeit vorausgesetzt: daß es möglich ist, eine der klassischen Archäologie entsprechende Typenlehre zu entwickeln ... Daß die religiöse Phantasietätigkeit der Christenheit einen viel reicheren Niederschlag in innerlich Geschautem und in Worten als in Werken der bildenden Kunst gefunden hat, und daß die christliche Religion einen Sinnesreichtum und eine Vielfältigkeit der Motive zu entwickeln erlaubt, der die entsprechenden Möglichkeiten der antiken Religionen weit übertrifft, macht aber die Deutung christlich-religiöser Kunstwerke zu einer ungleich schwierigeren Aufgabe als die der klassisch-religiösen, in denen der Sinn jedes Motives als gesichert gilt. Als selbstverständlich vorausgesetzt wurde von Panofsky vor allem die rationale Übersetzbarkeit jeder Darstellung in Worte ..."[55]
            Berliner bekämpfte energisch einige der gängige Begriffe, wie den des Symbols, weil er sie für unzutreffend und historisch unbegründet hielt: "Es sei eindringlich betont, daß die mittelalterliche Symbolik kein Lehrgebäude mit gleichsam mathematischen Formeln darstellt, da es kein durchgearbeitetes System der Symbolik gibt, sondern daß sie ein Niederschlag der Kunst der Exegese ist, die immer reichere Beziehungen für den im Augenblick gesetzten Mittelpunkt zu finden weiß."[56] Skeptisch äußerte er sich auch gegen die beliebte Herleitung künstlerischer Neuerungen von Visionen der Mystikerinnen, etwa der hl. Birgitta von Schweden, weil diese oft nur wieder Bilder reflektierten. Bemerkenswert früh finden sich bei ihm auch Warnungen vor einer allzu naiven Anwendung der gregorianischen Bildtheologie.[57]
            Er bestand auf der Wichtigkeit der Exegese für fast alle von ihm untersuchten Motive: "Man tut gut daran, sich immer wieder zu erinnern, daß alle 'echten' Ausmalungen von Einzelheiten eine Schriftgrundlage haben. Dies nachzuweisen wäre eines der reizvollsten Ergebnisse einer Geschichte der Exegese." Da es eine solche Geschichte jedoch nicht gab, hat er sich mit bemerkenswertem Fleiß an die Lektüre der zahllosen Texte gemacht, mit staunenswert reichen, noch lange nicht hinreichend rezipierten Ergebnissen.[58] Es war sein Anliegen herauszuarbeiten, dass eher die Frömmigkeit als die wissenschaftliche Theologie für die Genese vieler Bildideen verantwortlich zu machen sei; dies formuliert er bereits in seinem ersten Aufsatz zum Themenbereich, über die Cedronbrücke: "Man wolle nicht vergessen: wir haben es mit Versinnbildlichungen von Vorstellungen zu tun, die nicht wissenschaftlicher Theologie entstammen, sondern meditativer Frömmigkeitsübung mit all den individuellen Schwankungen, die auf diesem Gebiet möglich sind. Es handelt sich nicht um eine Angelegenheit des Glaubens, sondern um ein Schaltenlassen der Phantasie innerhalb des gegebenen Rahmens der biblischen Erzählung. Vielleicht erklärt der fehlende theologische Halt auch, warum das Ganze nicht währte."[59] Im selben Aufsatz schlägt er erstmals das ihn fortan so ausgiebig beschäftigende Thema des Verhältnisses zwischen der Wahrnehmung der Wirklichkeit und der frommen Meinung an: "Sehr lehrreich sind die Ausführungen [des Pilgerberichts von 1508 des Minoriten] Anshelm, der auseinandersetzt, warum der Bach [Cedron] nur wenn es während des Winters regnet, Wasser führt, und daß es im Sommer nie regnet, dann aber fortfährt: man glaubt, daß der Bach damals [zum Zeitpunkt der Passion Christi] Wasser führte, iuxta prophetiam David ... Was bedeutet die Realität gegenüber der Möglichkeit der heilsgeschichtlichen Sinngebung durch ein Bibelwort?"[60]
Grundsätzlicher wird er in seinem Aufsatz über das Urteil des Pilatus: "Dieses Zugeben [eines derartigen Urteilsspruchs durch den Neapler Juristen Borello, und zwar entgegen seiner persönlichen Überzeugung, dass der 1580 in Aquila aufgetauchte Text eine Fälschung sei] verdient besondere Unterstreichung, da es weit über den Einzelfall hinaus schlagartig die tiefsten Grundlagen der herrschenden wissenschaftlichen Methodik bloßlegt. Gibt es einen Zusammenstoß des auf der Erfahrung beruhenden sicheren Wissens mit einer geheiligten Autorität, so folgt man der letzteren, auch wenn man noch so fest von der Richtigkeit seines Wissens überzeugt ist ... Konsequenz der wissenschaftlichen Haltung, man könnte auch sagen Wissenschaft als konsequente Haltung, ist eine Forderung, die man nicht kennt ... Der große Einschnitt, der unser wissenschaftliches Denken vom mittelalterlichen trennt, den zog nicht die Renaissance, sondern die Aufklärung."[61]
            "Es ist notwendig, daß sich weiteren Kreisen die Frage aufdrängt, ob denn die konventionelle Methode der Ermittlung des Sinngehalts alter christlich-religiöser Kunstwerke stets sein Verstehen möglich machen kann. Zu viele Erklärer scheinen zu vergessen, daß religiöse bildende Kunst sowohl ein unmittelbarer Ausdruck als eine eigenständige Form des Frömmigkeitslebens ist, die sich theologischer Kontrolle entziehen kann, da es sich um eine nichtverstandesmäßige Äußerung religiösen Geistes handelt. Ein seiner Bezeichnung wertes Kunstwerk hat nicht die Möglichkeit wie Schriftzeichen einen Gedankeninhalt objektiv zu fixieren, damit er andere Gedankeninhalte anzuregen vermag. Ein Kunstwerk wendet sich unmittelbar nicht an den Intellekt, sondern an das emotionale Leben des Beschauers. Viele religiöse Kunstwerke erstrebten natürlich als 'Illustrationen' in Worten Formuliertes oder Formulierbares möglichst getreu in Schaubares zu übersetzen. Aber selbst dann liegt es im Wesen des schaubar Geformten, daß es einerseits jener Präzision entbehren kann, deren ein in Worte gekleideter Sinngehalt fähig ist, daß es andererseits von einer engen Bestimmtheit sein kann, die, in Worte gebracht, einen befremdenden, unwahren oder unrichtigen Sinn ergibt, wenn er verglichen wird mit der Lehre der Kirche ... das schwierigste Problem, mit dem die Ikonographie sich auseinanderzusetzen hat, [ist] das des Verhältnisses der Kunstwerke, besonders der als Veranschaulichung eines Themas frei geschaffenen, zu den verstandesmäßig formulierten religiösen Vorstellungen." [62]
            "Die Kunstwerken zugewiesene Stellung im geistigen und Empfindungsleben unterliegt der Wandlung. Der in der Spätantike ... mögliche Glaube an eine durch die reine Betrachtung erfolgende Übertragbarkeit von Eigenschaften eines Dargestellten auf den Betrachter ist im Westen wahrscheinlich seit dem späteren Mittelalter zu großem Teil und bei vielen völlig erstorben.[63]... Aber es gehört zum Wesen einer von den Gläubigen ... als realistisch empfundenen Darstellung, stets leicht das Präsenzerlebnis zu vermitteln, d.h. das Gefühl unmittelbarer Gegenwart des Dargestellten zu erregen, mit dem daher eine unmittelbare Kontakaufnahme möglich ist ... In der uns hier beschäftigenden, etwa vom 12. bis zum 18. Jahrhunderte währenden Epoche, waren zwischen den Extremen der vorwiegend intellektuell lehrenden und der vorwiegend nur schmückenden Kunstwerke die charakteristischen Beispiele der religiösen Kunst diejenigen, in denen dem Künstler Freiheit gelassen war, seinem Thema die Gestalt zu geben, die sich als ein mit dem Ziele der Beeindruckung des Beschauers erfolgter Ausgleich zwischen den Ansprüchen der Wirklichkeit oder Richtigkeit und rein künstlerischen Gesichtspunkten begründen ließ. Als selbstverständlich vorausgesetzt war die Bereitschaft des Beschauers, sich von dem, was er sah, religiös beeindrucken zu lassen. Für Beschauer, die dem Inhalte skeptisch gegenüberstanden oder am Kunstwerk rein ästhetisch interessiert waren, schuf man damals nicht.[64] Was dargestellt wurde, war geglaubte Wirklichkeit.
            Es gehört zum Wesen des Menschen, daß sein spontanes Empfindungsleben gerade auch auf religiösem Gebiete nicht ohne weiteres und in allen Einzelheiten von seinem Wissen kontrolliert wird ... [Deshalb] konnten christliche künstlerische Darstellungen erstaunliche Freiheit haben; ... über ihren religiösen Wert entscheidet ... ihre Fähigkeit, das seelische Leben zu bereichern ... Als Kriterium für die Duldung einer Darstellung wurde offensichtlich nicht stets genommen, ob sie bei beschreibender ... Übertragung in Worte der Lehre entsprach, sondern ob sie Empfindungen zu erregen vermochte, die als wünschenwert galten, kurz, ob sie die Frömmigkeit zu vertiefen geeignet war. Die Kirchenlehre, die Glaubenssätze standen zu fest ... Seit der Urzeit gab es z.B. Darstellungen der Anbetung der Magier, die mit keiner Erzählung des Ereignisses in Worten übereingingen und übereingehen konnten, da Maria jene nicht auf einem Throne sitzend empfangen haben kann. Darstellungen solcher Art hatten nicht die Absicht einer Schilderung von Ereignissen, 'wie sie wirklich gewesen sind'. Die künstlerische Veranschaulichung war da autonom, weil man offenbar vor der historischen Treue dem Gefühle den Vorrang einräumte: so sollte es sich zugetragen haben, wenn es richtig zugegangen wäre ..." Die Künstler gingen noch weiter, wenn sie z.B. die eindeutig in der Bibel berichtete Nacktheit Christi am Kreuz nicht darstellten, im Einklang mit den Normen der Gesellschaft.[65]
Nur so konnte es dazu kommen, dass Christus sogar als Frau dargestellt wurde: "It may be judged as utterly anthropomorphic, to conceive of god [als weibliche Gestalt, um sein Wesen als 'Liebe' zum Ausdruck zu bringen]."[66] Berliner kann seine Verwunderung nicht unterdrücken, aber - so gibt er zu: "... it is wonderfully human"... "Da klafft ... der Gegensatz zwischen einer 'unwahren' anschaulichen Darstellung und der in Worten überlieferten Geschichte oder Lehre auf."[67]
            Die Emotionalisierung sollte vor allem die Bereitschaft zur Nachfolge Christi und Mariä als Ideal der Lebensführung stärken. Doch ist sie tiefer begründet: "It was a basic religious principle that Christianity does not consist of a theoretical acceptance of dogmas and facts ("our knowledge is but patchwork"), but of the possession of faith, hope and charity - and of these, charity is the most important (I Cor 13,8,13). A Christian is not the individual, who knows the teachings of Christ but rather one to live them. Conduct, therefore, ought to be determined by the desire to imitate ..." Für die Künstler bedeutete dies: "The more emotionally effective art can be ... the better can artists make their point of view prevail." [68]
Gott hat Adam als sein Ebenbild geschaffen und in Jesus von Nazareth menschliche Gestalt angenommen, weshalb alle Bilder des Menschen auf Gott zurückverweisen und die 'Menschen-Natur' trotz der Erbsünde letztlich positiv gesehen wird: "The metaphysical relationship of 'subject' and 'image' belongs among the most essential points of the Christian conception of the universe. If it is accepted that, according to the nature of the human mind, the supernatural is conceivable only through perceptible images, then the artistic image can be acknowledged as a fundamental force."[69]
Die Kunst gewann an Wichtigkeit auch durch die Überzeugung, dass der Mensch durch das Auge empfänglicher sei als durch das Ohr:[70] "Die Gemütserschütterung, die die Predigt oder die Meditation durch sukzessives Versenken in die aufeinanderfolgenden Geschehnisse erzielen konnte, war für den Beschauer bildender Kunst nur bei ihrer gleichzeitigen Vorführung gesichert ... So kam man zu synchronisierenden, ganz 'unwahren' Darstellungen."[71] Dass durch die Exegese viele Handlungen und Momente hinzutraten, von denen in den Evangelien nichts zu finden war, störte wenig; denn die Lehre besagte, "daß die Evangelisten 'scripserunt non ad excitandum compassionis affectum principaliter, sed ad faciendum de historia certam fidem."[72] Vor allem die Psalmen und die prophetischen Bücher des Alten Testamentes boten den Exegeten reiche Funde. "Meditieren heißt in unserem Zusammenhang entfalten."[73]
Deshalb muss das Zeitverständnis der Andachtsbilder, und folglich auch die Art der Erzählung, anders und wertender verstanden werden, als es uns entspricht: "Hier [bei Dürers Holzschnitt] handelt es sich nicht darum, ein menschliches Drama abrollen zu lassen, hier handelt es sich darum, den Beschauer die einzelne Station so erleben zu lassen, daß für seine Erschütterung im einzelnen das Vor- und Nachher seine Bedeutung verliert, daß das Zeitlose des göttlichen Leidens und des Ringens um den Menschen das ist, was seine Seele erfüllt ... Dürer trug kein Bedenken, die Pilatusszene an einer falschen Stelle einzuordnen ... Einer Betrachtung, für die das Miterleben der Vorgänge das wesentliche Ziel bildet, ist es bedeutungslos, ob die historische Reihenfolge auch streng eingehalten wird - wie es etwa auch für den Pilger in Jerusalem nicht von Wichtigkeit war, den Passionsweg in genau dem gleichen Sinne zu wandeln, wie der Zug mit Christus, wenn er nur überhaupt an den Stellen beten konnte, die 'Stationen' waren ... Wie wenig es auf den Fluß der Geschehnisse ankam, zeigt die Einschiebung des Blattes mit 'Veronika zwischen Petrus und Paulus', also eines reinen Andachtsbildes zwischen dem Fall unter dem Kreuz und der Kreuzannagelung."[74] Damit wird der von der Erzählforschung der Wiener Schule der Kunstgeschichte eingeführte Begriff z.B. der 'Synchronizität' als eine nur äußerlich richtige Benennung, aber falsche Erklärung einer nur aus der christlichen Sicht sich ergebenden Vorstellung von 'Zeit' in der bildenden Kunst erkannt. Das impliziert die Ablehnung des formalistischen, inhaltsleeren Autonomieanspruchs der damaligen Kunstgeschichtsschreibung.
            Selbstverständlich entfaltete und änderte sich auch Berliners Denken:[75] den zuvor zitierten Begriff der Zeitlosigkeit bei Dürer hat er später z.T. kritisiert und differenziert. Er nennt es einen "Fehler, der sich in Frau Reiners-Ernst's Buch eingeschlichen habe[76], daß auch sie (im Banne der herrschenden Theorie über das Andachtsbild!) daran festhielt, daß das Vesperbild weder an Bethlehem noch an Golgatha angeknüpft habe, daß es zeitlos ist. Das ist sowohl ontologisch wie historisch unrichtig." Wie schwer jedoch auch für ihn das Zeitverständnis christlicher Bilder zu fassen ist, zeigt die Formulierung in dem fast gleichzeitig geschriebenen Aufsatz über Raffaels Sixtinische Madonna: "... diese Verschmelzung des historischen 'einmal in der Vergangenheit' mit einem transzendenten 'heute und überall' gehörte für seine Zeit zu den Grundwahrheiten oder vielleicht noch besser: zu den Lebenswahrheiten des Glaubens ... wenn auch jedermann wußte, daß Maria niemals im Himmel den Knaben im irdischen Sinne getragen hat oder trägt."[77]
Erst das christliche Zeitverständnis erklärt den 'Schmerzensmann' und die 'Arma Christi'. Das Waffen-Bild im Passionale der Äbtissin Kunigunde aus St. Georg in Prag beschreibt Berliner so: "Gleichzeitig tot und lebendig, historisch und gegenwärtig, aufrecht und zusammenbrechend, ans Kreuz genagelt und von ihm gelöst, stehend, gelehnt und getragen, mechanisch starr und lebendig bewegt, vereint die Gestalt die auf natürlicher Ebene unvereinbarsten Widersprüche."[78] Der Paradigmenwechsel in der Deutung des christlichen Bildes wurde also durch Berliners Studien zu einem der schwierigsten Passionsthemen, den Arma Christi, herausgefordert. Bis dahin hatte man diese der Moderne mehr oder weniger zuwideren Bilder verdrängt. Beim Studium der Literatur konnte man zum Schluss gelangen, dieser Bildtyp sei nur eine Randerscheinung der mittelalterlichen Kunst gewesen. Überproportional viele Werke dieser Thematik sind verloren, weil kaum ein Sammler sie haben wollte. Berliner jedoch förderte große Mengen zutage und bewies ihren zentralen Platz in der Passionsthematik.
Diese Bilder sind besonders geeignet, ein tieferes Verständnis der Kunst- wie der Wirklichkeitsauffassung des Mittelalters zu vermitteln. "Waffenbilder waren Andachtsbilder, deren Motive nach einem religiösen und nicht nach einem ästhetischen Bedürfnis ausgewählt wurden."[79] "... man läßt den Leidenden gleichsam an einem bestimmten Höhepunkt der Leidensbahn noch während des irdischen Lebens gleichzeitig alles 'erleben', Späteres zeitlich vorziehend, denn ... für diesen Leidenden ist die Summe der Leiden das Entscheidende, nicht ihr Nacheinander in der realen Zeit ..."[80] Die Summe der Leiden setzt jedoch die Abfolge der Ereignisse nicht außer Kraft: das gesamte Leben Christi wurde verstanden als eine einzige Passion, mit der Beschneidung als erster Hauptstation des Leidensweges. Aber die Einhaltung der Zeitfolge in der Darstellung galt nicht als wichtig. Die Arma Christi sind so gut wie nie chronologisch geordnet, denn es ging um die Vorführung der Vielzahl der Leiden: schier unglaubliche Zahlen werden dabei genannt![81] Für das Verständnis des zugrundeliegenden Kunstbegriffs aber ist wichtig, dass Bilder und Zeichen neben- und durcheinander stehen, was auch ein eigentümliches Licht auf den damaligen Bild- und Zeichenbegriff wirft.
            Umrisshaft ist der Aufsatz über die Arma Christi auch eine Geschichte des Andachtsbildes, obwohl Berliner immer wieder betont, dass er dies nicht bieten könne.[82] Doch beschreibt er die Veränderungen durch die neuen ästhetischen Ansprüche seit dem 15. Jahrhundert, die Gefährdung durch die Tendenzen zur Rationalisierung oder den Aufschwung um 1600. Geschichtliches Denken relativiert das idealtypische.[83] Wie in seinem Buch über die Weihnachtskrippe holt Berliner die Arma-Bilder, die den Kunsthistorikern schon dadurch verdächtig waren, dass sie in der Volkskunst so viel besser überlebten als in der hohen Kunst, aus diesem Bereich wieder heraus, nicht ohne zu zeigen, warum sie allmählich verdrängt worden waren. Viel Platz räumt er auch der Entstehung und Geschichte der wichtigsten Sonderform dieses Bildtypus, der Gregorsmesse, ein und vergisst auch nicht die anderen zeichenhaften Bilder wie die zur Mnemotechnik.[84]
Und weil die künstlerische Gestaltung so wesentlich für die Bildwirkung ist, werden mit größter Sorgfalt kompositorische Eigentümlichkeiten und Probleme analysiert, nur eben nie auf formalistische Weise: "Am geeignetsten für die seitlichen Einfassungen waren natürlich die langen Waffen, wie die Leiter, Säule usw. Da kommt jede Waffe zu ihrem Recht bei Vermeidung jeder Unklarheit im Einzelnen und jeder Unausgewogenheit der Flächenbesetzung im Ganzen. Aber zu stark betonte formale Ausgeglichenheit entsprach nur ausnahmsweise dem Geist des Themas. Anschaulich sollte grundsätzlich nicht das Gefühl der Beruhigung erzeugt werden, Unruhe, Erschütterung ist das eigentliche Ziel."[85]

Fazit
            Rudolf Berliner hat mit seinen Arbeiten zum Verständnis der religiösen Bilder eine Grundlage geschaffen, ohne je das Einzelwerk den Allgemein-Begriffen unterzuordnen. Im Gegenteil: Er hat die Ursachen für die bis ins Absonderliche gehende Fülle verschiedener Bildprägungen als Wesenszug der christlichen Kunst des Abendlandes erkannt. Anders als die konventionelle Ikonographie versteht er Bilder keineswegs nur als Umsetzungen theologischer Texte. Das Wort besitzt keine Priorität vor dem Bild. Für ihn sind Panofskys Ikonologie oder analoge geistes- und kulturgeschichtliche Betrachtungsweisen nicht entscheidend für das Begreifen der Bilder. Vielmehr bedarf es zu ihrem Verständnis einer Art Hermeneutik, die einerseits die Eigenart der christlichen Lehre und Weltsicht zum Ausgangspunkt nimmt, andererseits die Bedeutung des Bildes innerhalb dieser Religion. Es gibt m.E. keinen besseren methodischen Ansatz in der Kunstgeschichte, sowohl der Besonderheit wie der Fülle einzigartiger Bilderfindungen gerecht zu werden als den seinen.
Und doch wurden Berliners Ideen kaum rezipiert. Dazu mag die Überfülle an Fakten in seinen Texten ebenso beigetragen haben wie ihre scheinbare Ferne von der Schönen Kunst. Dass dies nicht in der Art des Autors lag, wird u.a. an seinem Aufsatz über 'Raphaels Sixtinische Madonna als religiöses Kunstwerk' (XII) erkennbar, einer das Wesen dieses Meisterwerkes erhellenden Studie, die ihm dennoch die Gelegenheit zur Entfaltung zentraler Einsichten bot.[86] Hauptverantwortlich für Berliners Misserfolg sind letztlich die von ihm 1958 als "die trägen Wasser der christlichen Ikonographie" bezeichneten Verhältnisse, die er "aufzurühren" nicht vermochte.[87] Doch war auch die intellektuell sterile und künstlerisch beschränkte Nachkriegszeit nicht zur Revision ihres hochgradig ideologisierten Mittelalterbildes bzw. ihres Kunstbegriffs bereit.
Die Grunderfahrung, dass sich Bilder nicht restlos in Worte umsetzen lassen, machte ihn vorsichtig bei der Deutung und veranlasste ihn, die Werke zuweilen eher aus der Distanz zu betrachten oder vorsichtig zu umkreisen. Das schließt Distanz zu sich selbst mit ein und begünstigt ein zuweilen essayistisches Vorgehen. Es versteht sich fast von selbst, dass jemand, dem Freiheit und Entfaltung der Persönlichkeit so wichtig waren, auch Humor hatte. Dafür zum Abschluss nur ein Beispiel aus der Untersuchung des Elfenbeinschnitzers Thomas Lenk: "Ich finde [den Sinn für Humor] gesteigert in dem Vulkan, der sich so recht männlich aufbläht – was bin ich doch für ein Kerl; und man weiß doch, wie Frau Venus es mit ihm trieb und wie niemand Grund hatte, seinen Hammer wirklich zu fürchten!"[88]


[1] Die meisten Informationen entnehme ich Papieren, die mir Rudolf Berliners jüngerer Sohn, Christopher Bever, überlassen hat und die ich an das Archiv für Kunst im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg weiterzugeben gedenke. Aufschlussreich war auch das Promotionsprotokoll einschließlich eines handgeschriebenen Lebenslaufes, dessen Kenntnis ich dem Universitätsarchiv Wien, vermittelt durch Gerhard Schmidt, verdanke.
[2] Herr Dr. Närger verschaffte mir freundlicherweise den Zugang zum Siemens-Firmenarchiv. Zur Tätigkeit der beiden Brüder Berliner s. Georg Siemens: Der Weg der Elektrotechnik. Geschichte des Hauses Siemens, 2 Bde., Freiburg/Brg. u. München 1961, bes. Bd. 2, S. 7ff. und 126.- Wilfried Feldenkirchen: Siemens 1918-1945, München u. Zürich 1995, bes. S. 348 und S. 533, Anm. 42.
[3] Bei Georg Siemens (wie Anm. 2), Bd. 2, S. 9f. werden die beiden Brüder z.T. verwechselt.
[4] Die von Angelo Stefanucci in seinem Nachruf auf Rudolf Berliner (Il Presepio. Rivista dell'Associazione Italiana Amici del Presepio 15, 1967, S. 28-29, bes. S. 28) mitgeteilte Information, die Familie Berliner sei rabbinischen Ursprungs, scheint nicht zuzutreffen.
[5] Theodors Bruder Alfred war Mitglied des Kaiserlichen Yachtklubs Kiel und beteiligte sich mit seinen Yachten an den Regatten. Einige Mitglieder der Familie gehörten sogar dem Alldeutschen Verband an, den man als ultra-konservativ einstufen kann.
[6] Laut Christopher Bever (wie Anm. 1) war dieses Anwesen ein Erbe seiner Großmutter mütterlicherseits, stammt also aus der Familie Bever.
[7] Marie Andree-Eysn war verheiratet mit dem berühmten Geographen und Kulturanthropologen Richard Andree (1835-1912) und übertrug dessen Methodik auf das Gebiet der religiösen Volkskunde; Herbert Nikitsch: Marie Andree-Eysn. Quellenfunde zur Biographie, in: Jahrbuch für Volkskunde 24, 2001, S. 7-26 und ders.: Eine Volkskundlerin aus Salzburg. Marie Andree-Eysn (1847-1929), in: Salzburger Volkskultur 25, 2001, S. 42-50. Wenn man ihre Schriften studiert, so etwa: Volkskundliches aus dem bayrisch-österreichischen Alpengebiet, Braunschweig 1910, ahnt man, warum ihr Ernstnehmen des Volksglaubens und seiner wirkungsmächtigen Bilder Berliner so beeindruckte.- Zu Rudolf Kriss s. Nina Gockerell: Rudolf Kriss (1903-1973), Volkskundler, Religionswissenschaftler, Sammler, politisch Verfolgter, in: Oberbayerisches Archiv 124, 2000, S. 195-218.
[8] Eva Frodl-Kraft: Eine Aporie und der Versuch ihrer Deutung. Josef Strzygowski und Julius v. Schlosser, in: Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte 42, 1989, S. 7-52.- Berliners harsche Kritik an Strzygowskis "Orient oder Rom" in der Dissertation (1), S. 31f.; das Riegl-Zitat S. 21, Anm. 2. Dessen Einfluss wird u.a. am folgenden Satz deutlich (S. 26): "... eine Unruhe auch des Stilgefühls, das Elemente des zeichnerischen mit dem des malerischen Stiles vermischt hat... Die Begrenzungen sprechen also flächenhaft, konstruktive Klarheit anstrebend" oder S. 27: "Übergangsstufe vom malerisch-konstruktiven zum zeichnerisch-farbigen Stil"; s.a. S. 29. Später äußerte er sich kritisch auch zu anderen Vertretern der Wiener Schule, so zu Dvořák, z.B. V, S. 281 und XIII, S. 86 (hier S. ###); ebenso zu Julius von Schlosser: Die Kunst- und Wunderkammern der Spätrenaissance, Leipzig 1908 (Nr. 39, S. 328, Anm. 9): "Die Ehrlichkeit verlangt das offene Bekenntnis, daß ich die Grundauffassung und damit auch die Einzelheiten ... - aller Verehrung unbeschadet - für verfehlt halte; schon der Titel ist falsch. Dies Urteil gilt auch für die in seinem Schatten Wandelnden." Seine brilliant recherchierte Widerlegung wurde jedoch kaum zur Kenntnis genommen.
[9] Genau aufgeführt sind die Studienzeiten in seinem 'curriculum vitae": ab Ostern 1905 zwei Semester in Berlin; im Sommer 1906 in Heidelberg; die nächsten beiden wieder in Berlin; im Winter 1907/1908 in Wien; dann wieder ein Jahr in Berlin; dort hatte während dieser Zeit Heinrich Wölfflin den kunsthistorischen Lehrstuhl inne. Im Sommer 1908 machte Berliner seine Studienreisen nach Paris (s.u.). Siehe auch Ulrike Wendland: Biographisches Handbuch deutschsprachiger Kunsthistoriker im Exil. Leben und Werk der unter dem Nationalsozialismus verfolgten und vertriebenen Wissenschaftler, T. I, A-K, München 1999, S. 42-45.
[10] Der Einleitung bzw. den im Text verstreuten Angaben ist zu entnehmen, dass es sich um ein Fragment einer größeren Studie handelt, an der er in der Pariser Bibliothèque Nationale 1908 und in der 1. Hälfte 1909 gearbeitet hat; dann wurde ihm durch Henri Omont die weitere Benutzung der Handschrift verweigert. Als Privatadresse gibt er die Kronprinzenallee 2 in Berlin-Grunewald an, eine der feinsten Wohngegenden der Stadt, später den Kurfürstendamm 213. Zur Handschrift neuerdings Anthony Cutler: The Aristocratic Psalters in Byzantium, Paris 1984 (Bibliothèque des Cahiers Archéologiques 13).
[11] Mit Philipp Maria Halm schrieb er das Buch über das Hallesche Heiltum, das sie Marc Rosenberg widmeten; Halms Andenken widmete er Nr. IV, dem seines Sohnes Peter die Nr. XIII, Marie Andree-Eysn den Beitrag Nr. I, ihrem Andenken außerdem die Nr. III; Hans Buchheit dedizierte er die 'Ornamentalen Vorlage-Blätter' (Nr. 30), seiner Frau das Krippenbuch, Theodor Müller die Aufsätze Nr. X und 85, Martin Weinberger die Nr. XII.- Zu Rapp s. Wendland (wie Anm. 9), II, S. 535-537, zu Weinberger dies., S. 724-727, zu dem von Berliner bewunderten Hans Tietze S. 689-699.- A. Rapp stand ihm schon durch das Thema seiner Dissertation nahe: Studien über den Zusammenhang des geistlichen Theaters mit der bildenden Kunst im ausgehenden Mittelalter, Kallmünz 1936.
[12] Nach Kriss-Rettenbeck ist die Zahl seiner Erwerbungen für das Museum sehr groß, besonders in der Abteilung für Volkskunde. Sie spiegeln deutlich seine Forschungsinteressen. Vgl. Ders.: Bilder und Zeichen religiösen Volksglaubens, München 1963: so gut wie alle Objekte, die nicht aus der Slg. Rudolf Kriss stammen.
[13] Nr. 46, S. 139; Berliner bezieht sich auf: Simon Meller: Peter Vischer der Ältere und seine Werkstatt, Leipzig 1925; S. 135 heißt es: "Wer unter Geschichtsschreibung den Versuch versteht, das Vergangene an Hand der von ihm hinterlassenen Lebensäußerungen in der Vorstellung zu rekonstruieren und in einen Sinnzusammenhang einzureihen ...". Andererseits forderte er, "... daß ... es verschwinden muß, daß der glaubt, um mit Tristram Shandy zu reden, dem Publikum geruhsam sein Steckenpferd vorreiten zu können mit der freundlichen Einladung hinten aufzusteigen!" (Nr. 95, Vorwort)
[14] OV, S. 119; zu Rosso und Fontainebleau S. 148ff., zu Ducerceau S. 159ff., zu Bérain S. 166ff.- Die von Gerhard Egger eigenwillig veränderte und um das ganz anders geartete 19. Jahrhundert erweiterte Neuedition des Werkes wurde rezensiert von Carsten P. Warncke, in: Pantheon 41, 1983, S. 86; Peter Vergo, in: Burlington Magazine 125, 1983, S. 431-432; Günther Irmscher, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte 47, 1984, S. 137-141; Yvonne Hackenbroch, in: Kunstchronik 38, 1985, S. 108-112. Sie schreibt S. 109 über Berliner: "His way of explaining fluctuations of style in various countries, whether of regional or international significance, remains unsurpassed in clarity, brevity and, above all, in modesty. Where else can one find such pertinent descriptions ..."
[15] Erwin Panofsky: Der Begriff des Kunstwollens, in: Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft 14, 1920, S. 321-339 (mehrfach abgedruckt, auch auf Englisch).- Hans Sedlmayr: Die Quintessenz der Lehren Riegls, in: Alois Riegl: Gesammelte Aufsätze, Augsburg 1929, S. XI-XXXIV (rez. von Hans Jantzen in: Kritische Berichte 1930/1931, Sp. 65-73).- Otto Pächt: Alois Riegl, wieder abgedruckt, in: Ders.: Methodisches zur Kunsthistorischen Praxis, München 1977, S. 141-152.- Willibald Sauerländer: Alois Riegl und die Entstehung der autonomen Kunstgeschichte am Fin de Siècle, in: Roger Bauer u.a. (Hg.): Fin de Siècle. Zu Literatur und Kunst der Jahrhundertwende, Frankfurt/M. 1977, S. 125-139.- Eine Kritik Riegls bei Norbert Huse: Denkmalpflege. Deutsche Texte aus drei Jahrhunderten, München 1984, bes. S. 124-149.
[16] Er findet viele lobende Worte für die Jesuiten Josef Braun (z.B. Nr. 48), Hugo Rahner (Nr. XIV), und Aloys Grillmaier (Nr. XI); hingegen äußert er sich skeptisch über die Methode von Günther Bandmann, mehr noch über diejenige von Erwin Panofsky.
[17] OV, S. 113; ergänzend seine Bemerkungen zu einem Ornamenttraktat von 1775 auf S. 115: "In der pädagogischen Wendung der ... Widmung kündigt sich bereits die verhängnisvolle Wandlung der Dinge an, die die Zeiten heraufführt, die nicht mehr eine unteilbare künstlerische Formenwelt als Ausdrucksnotwendigkeit kennen, sondern die charakterisiert sind durch die Spaltung in ein wirkliches, wildwucherndes Kunstleben des Tages und in eine vorwiegend historisierend und konservierend eingestellte Kunsterziehung, kurz die Zeiten, in denen zu einer Bildungsfrage wird, was einst lebendige Kraft war. Zu jener beizutragen wird dann der Ehrgeiz."
[18] Studien, die das Defizit überwinden, bleiben die Ausnahme, so zuletzt Wolfgang Wolters: Architektur und Ornament. Venezianischer Bauschmuck der Renaissance, München 2000.
[19] WK, S. 9 (Anm.)
[20] Jörg Rasmussen: Untersuchungen zum Halleschen Heiltum des Kardinals Albrecht von Brandenburg, in: Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst 27, 1976, S. 59-118 und 28, 1977, S. 91-132.
[21] Wilhelm Pinder schreibt in seinem Antrag auf Entnazifizierung, dass Berliner von der SS abgeholt worden sei und er ihn zusammen mit Brüschwiler gerettet habe.
[22] Der älteste Sohn Michael Wolfgang Berliner (später unter dem Namen Bever), geb. 7.8.1911, + 14.7.1992, promovierte 1934 zum Dr. jur. an der Universität Heidelberg, emigrierte im selben Jahr nach den USA, wurde 1937 Master of Business Administration an der Harvard University, wandte sich dann dem Studium der Metallurgie am Massachusetts Institute of Technology zu, wo er 1944 promovierte, eine steile Karriere machte und zu einem hochangesehenen Professor und Erforscher der Materialqualitäten der Metalle wurde, vor allem ein Bahnbrecher der Recycling-Technologie. Der zweite Sohn, Christoph Friedrich Wilhelm Theodor Berliner, geb. 12.3.1919, nahm ebenfalls den Nachnamen seiner Mutter, Bever, an und anglisierte seinen Vornamen zu Christopher. Nach Studien u.a. der Kunstgeschichte in Harvard wechselte er zur Medizin und wurde schließlich Psychoanalytiker; vgl. für beide Söhne die verschiedenen Ausgaben des "Who's Who in America" und des "American Men & Women of Science". Nach Aussage von Christopher Bever hasste sein Vater Freud, Jung und die gesamte Psychoanalyse. Auch machte er sich über den Altphilologen und Autor des bekannten Buches 'Die Götter Griechenlands', Walter F. Otto, lustig, der mit der besten Freundin seiner Frau verheiratet war. Berliner ging nicht in die Kirche, verstand sich eher als Agnostiker, stand dem Judentum kritisch gegenüber, während seine ganze Sympathie der frühchristlichen Kirche gehörte, weshalb ihn manche amerikanischen Kollegen als "Early Christian Berliner" neckten. Er tolerierte die Suche seiner Frau nach einem ihr zusagenden Glauben, ihr zeitweiliges Interesse am Buddhismus und ihren (und ihres Sohnes Michael) Wechsel zu den Unitariern.
[23] Dieter Wuttke (Hg.): Erwin Panofsky: Korrespondenz, Bd. I, 1910-1936, Wiesbaden 2002, druckt S. 949-950 einen Brief Berliners vom 6.12.1936 an Panofsky ab, in dem er von ihm Hilfe erbat, um in Amerika Fuss zu fassen. Einem noch nicht publizierten Brief vom 24.4.1937 ist zu entnehmen, dass er 1937 mit Panofsky in Princeton zusammentraf, um das weitere Vorgehen zu besprechen.
[24] In dem in Anm. 1 zitierten Brief von Christopher Bever werden viele Bücher genannt, u.a. eine umfangreiche Sammlung klassischer deutscher Literatur; auffällig ist die Bevorzugung Goethes (statt Schillers) und die Akzentsetzung auf Herder, Nietzsche und Burckhardt; auch finden sich in diesem Brief Hinweise auf seine musikalischen Vorlieben und seine Betätigung als Organist.
[25] Sein Freund Martin Weinberger vermittelte ihm einen Lehrauftrag für Museumskunde am New York Institute of Fine Arts. In den Unterlagen des Bayerischen Nationalmuseums wird er als ao. Prof. der Münchner Universität verzeichnet. Dies trifft nach Auskunft des Universitätsarchivs nicht zu.
[26] Theodor Müller, in: Kunstchronik 20, 1967, S. 331f.- Das Münster 20, 1967, S. 501.- Stefanucci, s. Anm. 3.- Doris Schmidt, Wahrheit im Anschaulichen, in: Süddeutsche Zeitung Nr. 209, vom Freitag, 1.9.1967.
[27] Im Band über die Weihnachtskrippe sind z.B. hervorzuheben: S. 66, Anm. 460ff. über die Bevorzugung des Zuges der Hl. Drei Könige für Uhren und Automaten seit dem 14. Jahrhundert; S. 77 und Anm. 530 über die Exportindustrie der Berchtesgadener Schnitzer; S. 159, Anm. 48 über die Bedeutung des Motivs des Christkindbadens mit einer wichtigen Erörterung zum Charakter erzählender Andachtsbilder; Anm. 205 über Wachsbildnerei; Anm. 421 über Echthaarkruzifixe; Anm. 677 über cartapesta; Anm. 741 über die Bedeutung der Verschickung kostümierter Puppen usw. Analog etwa der Aufsatz XII, S. 102, Anm. 117 (hier S. ###).
[28] WK, S. 190, Anm. 329 (hier S. ###): "Der Streit, ob eine Krippe überhaupt in den Bereich der 'Kunst' gehören kann, erscheint mir müßig, da er von den Definitionen abhängt, von denen ausgegangen wird. Zunächst wäre überhaupt eine Auseinandersetzung darüber nötig, ob Volkskunst denn stets gleich Un-Kunst ist, oder ob nicht vielmehr für sie genau die gleiche Grenzbestimmung gilt wie für die 'gebildete Kunst' (Weimarer Kunstfreunde): die Qualität. Die Krippe stellt eine künstlerische Aufgabe, deren Ziel der möglichst eindrucksamen Wiedergabe der Wirklichkeit sich mit einem in der sogenannten Volkskunst nicht seltenen deckt. Sicherlich begegneten sich in den neueren Zeiten Kunst fürs Volk und Kunst des Volkes nicht oft so natürlich (usw.)."
[29] WK, S. 104; s.a. die allgemeinen Erörterungen zur Volkskunst-These auf S. 42; über die 'Volkstümlichkeit' des neuen Brauchs als Anreiz zu seiner Propagierung für die Vorkämpfer der Gegenreformation S. 72; dass man es seit dem 19. Jahrhundert der Volkskunst überließ, den Bedarf zu decken S. 153.- Die Vertreter des Faches Volkskunde haben ihm dennoch mehr Anerkennung gezollt als die Kunsthistoriker: ihm wurde das Bayerische Jahrbuch für Volkskunde 1966/1967 gewidmet, eingeleitet durch einen Aufsatz von Lenz Kriss-Rettenbeck: Anmerkungen zur neueren Krippenliteratur, S. 7-36; doch findet man dort z.B. S. 12 auch Beispiele einer ideologisch verblendeten Kritik an Berliners Krippenbuch gerade aus volkskundlichen Kreisen.
[30] Eine Definition s. WK, S. 14f.; zu Bedeutung und Gebrauch der Worte Krippe, praesepe usw. S. 19f.; zur Unterscheidung von Retabeln S. 25f.- B. formuliert deutlich die methodischen Schwierigkeiten: "In aller Krippengeschichte tut man gut daran, grundsätzlich an einen ständigen Fluß der Verhältnisse zu glauben" (WK, S. 35). "Auch hier zeigt es sich also, daß das Problem der Geschichte der 'Möglichkeit' einer Weihnachtskrippe in engem Rahmen nicht zu lösen ist" (S. 28). "Aber die Wirklichkeit ist wie stets reicher gewesen, als sie in historischer Abstraktion erscheint" (S. 93). Typisch auch die kritische Einleitung des 'Forschungsstandes' zur Neapolitaner Krippenkunst S. 96, die in den Satz mündet: "Sicher ist, daß man früher weniger zu wissen vorgab, als später."
[31] [Gehen wir nach Bethlehem]; WK, S. 14.
[32] WK, S. 13f., 28.
[33] WK, S. 24 über die Stiftung einer Weihnachtskrippe durch Bischof David von Burgund 1489 an die Utrechter Kathedrale, deren Materialwert bei ihrer Einschmelzung 1578 auf über 150000 Gulden geschätzt wurde.
[34] Zur Tätigkeit verschiedener Gewerke s. WK, S. 49, 79, 100f.; zur Bekleidung s.a. S. 47, 85, 170; über Wachsfiguren S. 35, 64, 73, 85f., 94f., 100 u. 136.
[35] Über die Leistungen von Dilettanten s. u.a. WK, S. 81 u. 111.
[36] WK, S. 10, 13, 34, 38f., 40ff. usw. "Es ist nun einmal ... Theater auch darin, daß die Figuren eine glänzende Beleuchtung verlangen. Stumpfes Tageslicht nimmt ihnen viel." (WK, S. 104).
[37] WK, S. 83.
[38] Stephan Oettermann: Das Panorama. Die Geschichte eines Massenmediums, Frankfurt/M. 1980.
[39] WK, S. 64ff., 80 und Anm. 457 und 460.
[40] Die Krippe für das Chorherrenstift Diessen am Ammersee kostete 1500 Gulden (WK, S. 135), die stadtberühmte, vor 1775 alljährlich in der Kirche des St. Josephs-Spitals in München ausgestellte über 4000 Gulden (S. 136). Das ist etwa die Summe, die Balthasar Neumann für die im Auftrag des Fürstbischofs Friedrich Karl v. Schönborn 1740-1745 errichtete Hl.-Kreuz-Kirche in Kitzingen-Etwashausen benötigte.
[41] WK, S. 53f.
[42] Vgl. die Ausführungen zu Hans Jantzen in Anm. 4 des Vorwortes.
[43] III, S. 106 (hier S. ##)
[44] Nach Auskunft von Lenz Kriss-Rettenbeck interessierte ihn gegen Ende seines Lebens brennend die Frage, wie man sich den verklärten Leib Christi zu denken habe.
[45] WK, S. 9, 13.- Sehr schön sind seine Passagen über das Motiv, das neugeborene Christuskind zu baden, das er mit der in mittelalterlichen Frauenkonventen weitverbreiteten Vorstellung von der Nachfolge Mariens als Pflegerin des Christkindes begründet (WK, S. 159, Anm. 48).
[46] Erich Auerbach: Mimesis. Dargestellte Wirklichkeit in der abendländischen Literatur, Bern 1946 und viele spätere Auflagen. Zur 'Realismusdiskussion' bei Berliner s. WK, S. 28ff., S. 78f., S. 103, S. 159, Anm. 48, S. 175, Anm. 173 usw. S. 51f. über die Integration von Propheten und anderen typologischen Figuren in die Krippen als für das Verständnis von 'Zeit' im Sinne der Heilsgeschichte bezeichnend.- S.a. Frederick P. Pickering: Literatur und darstellende Kunst im Mittelalter, Berlin 1966 (Grundlagen der Germanistik 4).- James Marrow: Passion Iconography in Northern European Art of the Late Middle Ages and Early Renaissance. A Study of the Transformation of Sacred Metaphor into Descriptive Narrative, Kortrijk 1979 (Ars Neerlandica 1).- Gerhard Schmidt, "Pre-Eyckian Realism". Versuch einer Abgrenzung, in: Maurits Smeyers / Bert Cardon (Hg.), Flanders in a European Perspective. Manuscript Illumination around 1400 in Flanders and Abroad, Proceedings of the International Colloquium Löwen, 7.-10. 9. 1993, Löwen 1995, S. 747-769.- Robert Suckale: Zum Körper- und Wirklichkeitsverständnis der frühen niederländischen Maler, in: Klaus Schreiner u.a. (Hg.): Frömmigkeit im Mittelalter. Politisch-soziale Kontexte, visuelle Praxis, körperliche Ausdrucksformen, München 2002, S. 271-297.
[47] WK, S. 13; s. dort auch die anschließenden Passagen.
[48] WK, z.B. S. 53ff.
[49] ["... damit wir, indem wir Gott sichtbar erkennen, dadurch zur Liebe der Unsichtbaren emporgerissen werden"] (WK, S. 31). Die Jesuiten gebrauchten die Krippen als Mittel der Inneren Mission: "Denn nichts präge sich dem Geist derart ein und hafte so fest in ihm, nichts rühre mehr als dem Gläubigen sinnfällig Gezeigtes." (WK, S. 32 nach einer böhmischen Quelle) Parallel dazu erneuerten sie auch wieder die alte Sitte, Hl. Gräber aufzurichten.
[50] WK, S. 40f.
[51] IX, S. 116 (hier S. ##).
[52] Zur Ährenkleidmadonna s. Lenz Kriss-Rettenbeck: Lebensbaum und Ährenkleid. Probleme der volkskundlichen Ikonologie, Rudolf Berliner zum 70. Geburtstag, in: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde 1956, S. 42-56.- Zu den Arma Christi ders. (wie Anm. 12).
[53] X, S. 116, Anm. 13 (hier S. ###). Allgemeines zu Andachtsbildern findet sich u.a. IX, z.B. S. 55 und 70 (hier S. ###).- Eine ausführliche, aber unvollständige und z.T. schiefe Geschichte des Andachtsbildbegriffes bei Karl Schade: Andachtsbild. Geschichte eines kunsthistorischen Begriffs, Weimar 1996.
[54]  Vgl. den in Anm. 5 des Vorwortes zitierten Aufsatz von 1927, S. 264.- Andere Beispiele kritischer Äußerungen zur Literatur s. III, S. 97 und 104 (gegen Karl Künstle; hier S. ##); IX, S. 138, Anm. 476 (gegen Max J. Friedländer, wenn auch sehr zurückhaltend; hier S. ###); XIII, S. 94 (gegen Theodor Hetzer; hier S. ##) und S. 101, Anm. 3 (hier S. ###), wobei er zu selten scharfen Formulierungen greift: "Man muß Heideggers von ihm selbst als 'unzureichendes Stammeln' bezeichnete Sätze lesen, um sich davon zu überzeugen, was unter dem Einflusse der schon 1917 von Ernst Heidrich (Beiträge zur Geschichte und Methode der Kunstgeschichte, Basel 1917, S. 97ff.) vorausgesagten kunstgeschichtlichen 'neuen Scholastik' heute als Beitrag zur kunstgeschichtlichen Erkenntnis gelten kann"; XIV, S. 228 (hier S. ## und passim, gegen Ernst H. Gombrich).
[55] X, S. 100 (hier S. '###); s.a. S. 112 und XIII, S. 103 (hier S. ##).
[56] III, S. 108 (hier S. ###); s.a. III, S. 111; V, S. 263; XI, S. 178; XIV, S. 232 (hier S. ######).
[57] I, S. 75 (hier S. ###).- X, S. 104 (hier S. ###).- IX, bes. S. 54, 80 und 111 (hier S. ###).- Diese skeptische Position wurde in neuerer Zeit m.W. zuerst von dem zu früh verschiedenen Michael Camille verfochten: Seeing and Reading. Some Implications of Medieval Literacy and Illiteracy, in: Art History 8, 1985, S. 26-49.- Leonard Duggan: Was Art really the 'Book of the Illiterate'? in: Word and Image 5, 1989, S. 227-251.
[58] IX, S. 148, Anm. 781 (hier S. ###).- S.a. seine biblischen Hinweise in IX, S. 34, 46 und passim (hier S. ###); X, S. 101 (hier S. ###). Ihm wäre an die Seite zu stellen James Marrow (wie Anm. 45).- Einige von ihm benutzte Bücher verdienten, in kunsthistorischen Kreisen bekannter zu werden, so: Paulus de Barry und Martinus Sibenius: Magnificentia dei erga matrem suam, Köln 1659 und Ippolito Marracci: Polyanthea mariana, Köln 1683, Rom 1694.
[59] I, S. 81 (hier S. ###).- Berndt Hamm hat für diese primär auf Frömmigkeitsförderung bedachte theologische Tendenz den Begriff der 'Frömmigkeitstheologie' geprägt: Frömmigkeit als Gegenstand theologiegeschichtlicher Forschung. Methodisch-historische Überlegungen am Beispiel von Spätmittelalter und Reformation, in: Zeitschrift für Theologie und Kirche 74, 1977, S. 464-497 und: Frömmigkeitstheologie am Anfang des 16. Jahrhunderts. Studien zu Johannes v. Paltz und seinem Umkreis, Tübingen 1982 (Beiträge zur historischen Theologie 65).
[60] I, S. 74, Anm. 6 (hier S. ###).
[61] IV, S. 140, Anm. 1 (hier S. ##) und IV, S. 142 (hier S. ###).
[62] X, S. 97 (hier S. '##).- Diesen Leitsatz hat Berliner mehrfach variiert, z.B. X, S. 99 (hier S. ##): "Die Zeit ist überreif für die Anerkennung der Tatsache, daß viele Kunstwerke ihr Thema so veranschaulichen, daß eine rationale, mit kirchlicher Lehre übereinstimmende Übersetzung in Worte nicht gefunden werden kann." S.a. XI, S. 178; XIII, S. 89; XIV, S. 227 u.a. (hier S. ####).
[63] Zum Prozess der Rationalisierung s.a. IX, S. 60ff., 78, 136, 139 oder X, S. 114 (hier S. #########).
[64] S.a. V, S. 264, 269 und 279 (hier S. ###).
[65] V, S. 279f. (hier S. ###)
[66] VII, S. 159; zuvor schon III, S. 105 (hier S. ####).- Caroline W. Bynum: Jesus as Mother. Studies in the Spirituality of the High Middle Ages, Berkeley u.a. 1982 (Publications of the Center for Medieval and Renaissance Studies University of California in Los Angeles 16).
[67] IX, S. 66 (hier S. ###).
[68] V, S. 273 (hier S. ###); V, S. 270 und 275 (hier S. ###). Frank O. Büttner: Imitatio Pietatis. Motive der christlichen Ikonographie als Modelle der Verähnlichung, Berlin 1983.
[69] V, S. 271 (hier S. ###).
[70] Zu diesem Thema s. V, S. 270, 276 und 280 sowie IX, S. 36 und 91 (hier S. #######).- Donat de Chapeaurouge: 'Das Auge ist ein Herr, das Ohr ein Knecht'. Der Weg von der mittelalterlichen zur abstrakten Malerei, Wiesbaden 1983.
[71] IX, S. 48 (hier S. ##)
[72] Die Evangelisten "schrieben nicht, um vor allem das Gefühl des Miterleidens zu wecken, sondern um den Glauben an die von ihnen berichtete Geschichte zu bewirken!" IX, S. 92 (hier S. ###).
[73] IX, S. 124, Anm. 199 (hier S. ###)
[74] II, S. 316 und 317 (hier S. ###).- Die Dürerforschung ist Berliners Deutung nicht gefolgt, m.E. zu Unrecht.- Zum eigentümlichen Zeitverständnis des religiösen Bildes s. III, S. 102; IV, S. 144; IX, S. 39 (hier S. ###) über den Beginn der "synchronistischen Häufung der Motive", u.a. im Rabula-Codex von 586. IX, S. 56 (hier S. #####) schreibt er: "Alle Zeitbegriffe sind hier aufgehoben ..." Er weist im übrigen daraufhin, dass im Typus der trauernden hinterbliebenen Maria, die im Geiste die Stationen ihres und ihres Sohnes Lebens immer wieder abgeht, die in ihrer Verkürzung den Arma Christi ähnelnden Stationsbilder in chronologisch korrekter Reihung dargestellt werden: IX, S. 61ff. und 76f. (hier S. ###); der Typus kommt aus dem Heilsspiegel.- Bemerkenswert ist seine Erklärung des zeitlichen Durcheinander bei Arma-Bildern: IX, S. 82 u. 91 (hier S. ###): "Das Auge soll suchen. Diese richtige psychologische Erkenntnis war es wohl von Anfang an, die in den Waffendarstellungen die an sich naheliegende Aufreihung nach der historischen Abfolge der Ereignisse vermeiden ließ."
[75] Es ist bezeichnend für Berliners Redlichkeit, dass er sofort Irrtümer, die er in einer seiner älteren Schriften entdeckt, mitteilt und Fehleinschätzungen revidiert; s. z.B. III, S. 106 mit einer Korrektur von Nr. I (hier S. ######); III, S. 105 seine Selbstbezichtigung des Dilettierens, ebenso IV, S. 134, Anm. 7; IX, S. 120, Anm. 89 über Nr. IV (hier S. ###); OV, S. 144, Anm. 1.- Doch teilt er gelegentlich erfreut mit, wenn seine Arbeiten bestätigt worden sind, so IX, S. 136, Anm. 424 über III (hier S. ######).
[76] X, S. 113 (hier S. ##).- Elisabeth Reiners-Ernst: Das freudvolle Vesperbild und die Anfänge der Pietà-Vorstellung, München 1939 (Abhandlungen der Bayerischen Benediktiner-Akademie 2).- Martin Schawe: Fasciculus myrrhae. Pietà und Hoheslied, in: Jahrbuch des Zentralinstituts für Kunstgeschichte 5-6, 1989-1990, München 1992, S. 161-212.
[77] XII, S. 96f. (hier S. ##).
[78] X, S. 106 (hier S. ###).
[79] IX, S. 55 (hier S. ###).- Die Priorität des Religiösen über das Ästhetische ist ein immer wiederkehrender Leitgedanke Berliners; z.B. in seinem Aufsatz über Paulus von Vianen (Nr. 49, S. 46): "Es war der Ernst der Aufgabe, Andachtsbilder herzustellen, der Vianen die Darstellungen nicht zum Anlaß werden ließ, mit immer neuer Lösung formaler oder technischer Probleme zu prunken, sondern er beachtete streng das Wesensgesetz jenes Zweiges der religiösen Kunst, daß inhaltliche Deutlichkeit und Konzentration auf das religiös Wesentliche den Charakter der formalen Lösung zu bestimmen haben."
[80] IX, S. 82 (hier S. ###).- Auch erzählende Bilder können nacheinander stattfindende Ereignisse gleichzeitig erlebbar machen, so etwa Rogier van der Weyden in seiner Löwener Kreuzabnahme; s. Robert Suckale: Rogier van der Weydens Bild der Kreuzabnahme und sein Verhältnis zu Rhetorik und Theologie. Zugleich ein Beitrag zur Erneuerung der Stilkritik, in: Reinhard Brandt (Hg.): Meisterwerke der Malerei, Leipzig 2001, S. 10-44.
[81] Arnold Angenendt u.a.: Gezählte Frömmigkeit, in: Frühmittelalterliche Studien 29, 1995, S. 1-71.
[82] IX, S. 40, 53, 58f. (hier S. ####).
[83] IX, S. 78ff., 84ff., 89f. (hier S. ###) über die Gefahr, dass die Arma zu Dekorationsmotiven wurden.
[84] IX, S. 135, Anm. 398 (hier S. ###).- Zur Gregorsmesse: IX, S. 65ff. (hier S. ###).- Kat. Köln 1982: Die Messe Gregors des Großen. Vision – Kunst – Realität, hg. von Uwe Westfehling.- Zur Mnemotechnik s. die Arbeiten von Frances Yates: The Art of Memory, London 1966, 21969.- Jörg J. Berns und Wolfgang Neuber (Hg.): Ars memorativa. Zur kulturgeschichtlichen Bedeutung der Gedächtniskunst 1400-1750, Tübingen 1993 (Frühe Neuzeit 15).- Dieselben (Hg.): Seelenmaschinen. Gattungstraditionen, Funktionen und Leistungsgrenzen der Mnemotechniken vom späten Mittelalter bis zum Beginn der Moderne, Wien u.a. 2000.
[85] IX, S. 91 (hier S. ###).
[86] Dass es ihm durchaus um die 'große' Kunst geht, ist z.B. an der enthusiastischen Würdigung der Arma-Bilder des Fra Angelico in den Zellen von S. Marco in Florenz zu bemerken: IX, S. 112 (hier S. ###). Der Aufsatz XIII behandelt fast ausschließlich Werke von Raffael, Jan van Eyck usw. Die XII, S. 91 (hier S. ###) eingeforderte Geschichte des Vorhangmotivs ist inzwischen z.T. geschrieben; s. Brigitt A. Sigel: Der Vorhang der Sixtinischen Madonna. Herkunft und Bedeutung eines Motivs der Marienikonographie, Zürich 1977.
[87] XI, S. 177 (hier S. ###).
[88] Nr. 25, S. 28.- S.a. WK, S. 54: "Das letzte was man bei Maria in diesem Augenblick erwarten sollte, ist die Sorge um die gut gelegte Frisur, wie sie hier mit dem übergeworfenen Schleier und der sauber gelockten vorderen Strähne zur Nahbesichtigung auffordert ... Und doch - wer will entscheiden, ob nicht gerade diese Frisur den Beschauerinnen das Präsenzerlebnis erleichterte." Vgl. auch S. 87f.

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